Schutz durch Technik im Klassenraum - während der Pandemie

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Abluftsysteme



Am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie entwickelte man ein einfaches, aber hoch wirksames Abluftsystem speziell für den Klassenraum (Klimach et al). Es hat eine sehr geringe Brandlast, ist mit Material (ca. € 200,- pro Raum) aus jedem Baumarkt in kurzer Zeit in jeden Klassenraum einzubauen, erfordert praktisch keine Wartung und erspart das Stoßlüften während des Unterrichts. Der Klassenraum bleibt warm. Das System ist problemlos von handwerklich begabten Eltern an einem einzigen Vormittag installiert.

Installiert von Messebauern würde man für immer noch vergleichsweise wenig Geld technisch perfekte und optisch ansprechende Einbauten erhalten.


Die frühmittelalterliche Methode der Stoßlüftung könnte wegfallen.





Umweltbundesamt für MPI-Abluftsystem im Klassenraum



Das Umweltbundesamt (UBA) präferiert das System des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie als Infektionsschutz gegen Aerosole an Schulen während der Pandemie.
In einer uns vorliegenden Stellungnahme heißt es:

„Das Max-Planck-Institut (MPG) für Chemie in Mainz schlägt zum Infektionsschutz gegen Aerosole an Schulen den Aufbau kostengünstiger Abluftsysteme vor. Kernelemente des Systems sind ein Ventilator in der Fensterwand sowie selbst aufzubauende, an der Decke aufgehängte Luftkanäle und Rohre, über welche entstehende Aerosole gleichzeitig von mehreren Punkten im Raum abtransportiert werden sollen. Das UBA unterstützt solche einfachen Zu-/Abluftsysteme (in diesem Fall Abluftsystem mit Zuluft über gekipptes Fenster) als Ergänzungsmaßnahme bei nicht ausreichender Lüftungsmöglichkeit über Fenster ausdrücklich.
Die Kosten blieben dabei im Rahmen, denn alle Materialien wurden im Baumarkt erstanden. Die 200 Euro, die für den dargestellten Klassenraum angegeben wurden, sind circa-Angaben. Bei professionellem Aufbau ist mit Kosten bis ca. 1000 Euro zu rechnen. Beim Einbau von professionellen Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung (WRG) wären die Kosten höher.

Umsetzbarkeit einfach. Für begabte Laien und Hobby-Heimwerker wäre ein Selbstbau möglich (so wie im Beispielfall die Uni das selbst gemacht hat).
Ansonsten müssten Handwerker (Schlosser, Sanitärfirma) das übernehmen, aber auch dann halten sich die Kosten im Rahmen (siehe oben). Das erledigen zwei Handwerker an einem Arbeitstag.

Zu beachtende Punkte wären hier:
Lufthygienisch ist das Studiendesign und die Erfassung des Partikelreduktionserfolges nach Prüfung der Unterlagen der MPG plausibel belegt und valide. Die Wärmerückgewinnung (WRG) ist nur als Option erwähnt, aber offenbar nicht umgesetzt worden – das wäre für 200 Euro auch nicht machbar.
Im Einzelfall muss auch geprüft werden, ob keine Kurzluftströmungen auftreten und die gesamte Raumluft durch die Absaugeinheit nach draußen geführt wird.
Elektrische Sicherheit. Das Anschließen an einer „simplen“ Steckdose, kann ohne ausreichende Absicherung (Ampere) auch gefährlich sein.
Unfallsicherheit: Die Konstruktion muss sicher an der Decke befestigt sein, dass sie nicht im laufenden Betrieb – im wahrsten Sinne des Wortes – den Schülern auf den Kopf fallen kann.

Der Brandschutz muss gewährleistet sein. Das gilt besonders bei Anlagen im Eigenbau.
Zuluft muss ausreichend nachströmen können. Man sollte überlegen, wo der beste Zugriffspunkt auf Zuluft ist, damit sich eine gute Verdünnung der Luft im Raum ergibt. Der Dauerbetrieb der Abluftanlagen sollte nicht zu einer zu starken Auskühlung der Räume führen. In diesem Fall wurde ein Fenster unten gekippt und wohl der Luftdurchsatz im Raum auf ca. 1,5/h im Raum eingestellt. Das wäre noch unkritisch. Direkt an den Abzugshauben beträgt der Luftvolumenstrom im System der MPG 2-3/h. Das ist vertretbar, da die Luft unmittelbar vertikal nach oben abgeführt wird.“

„Auch diese Maßnahme ersetzt das Lüften in den Pausen jedoch nicht, während des Unterrichtes könnte dann aber das Lüften alle 20 Minuten zwischendurch entfallen.
Im Gegensatz zu mobilen Luftreinigern, deren Einsatz das UBA nach wie vor nur als Ausnahme sieht (vgl. UBA-Empfehlung vom 22.10. – IRK-Empfehlung in Vorbereitung), kann mit dieser technischen Lösung auch während des Unterrichts eine Abfuhr von Schadstoffen, Feuchte und CO2 aus der Raumluft vorgenommen werden.“





Luftreiniger



  • Gute Luftreiniger müssen in der Lage sein, die gesamte Raumluft mindestens viermal, optimal sechsmal pro Stunde vollständig umzuwälzen bzw. zu filtern. Bei niedrigerem Luftaustausch können lediglich Feinstaub oder Pollen aus der Raumluft entfernt werden, die Aerosol-Konzentration kann bei geringeren Raten nicht ausreichend reduziert werden.
  • Erforderlich sind echte HEPA-Feinfilter nach Filterstandard DIN EN 1822: Der Begriff des HEPA-Filters ist nicht geschützt, weshalb viele vermeintliche HEPA-Filter nicht das halten, was sie versprechen. Ein echter HEPA H14-Filter scheidet bis zu 99,995% der Aerosolpartikel ab und ist nach DIN EN 1822 zertifiziert.
  • Lautstärke: Ein Gerät, das stört, wird abgeschaltet (z.B. Im Klassenzimmer, in dem eine Atomsphäre der Konzentration herrschen sollte). In Klassenzimmern gilt nach VDI 6040 oder DIN EN 15251 eine max. A-bewertete Schalldruckpegel* von 35 dB(A), dies entspricht in etwa der Lautstärke in einer Bücherei oder einem ruhigen Schlafzimmer.
  • Damit Luftreiniger und Raumlufttechnische Anlagen über die Zeit nicht selber zur Quelle von Luftverschmutzung werden, müssen diese auf besondere Weise entworfen und gebaut sein. Luftreiniger für die Corona-Pandemie müssen nach VDI 6022 konstruiert sein.• Dezentrale Lüftungsanlagen kommen zum Einsatz, wenn zentrale Gebäudekonzepte baulich nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt werden können.
  • Komplexere Luftreiniger sind der von der Universität der Bundeswehr getestete Trotec Raumluftreiniger TAC V+ (Kähler et al) und der in der Studie der Goethe-Universität Frankfurt verwendete Philips AC2889/10 Luftreiniger Connected (Curtius et al). Beide Geräte sind für den Schulgebrauch geeignet, haben aber - wie alle Luftreiniger - Nachteile gegenüber Kombinationen von Abluftsystemen (siehe unten) und UV-C-Strahlern. Die Vorfilter der Geräte der Frankfurter Studie mussten zum Teil schon nach 7 bis 14 Tagen gewechselt werden. Das kann leicht vergessen werden und das löst Wartungs- und Entsorgungskosten aus.
  • Trotec Raumluftreiniger befinden sich bei vielen Call Centern im Einsatz. Sie reinigen damit die Luft auch großer Call Center mit vielen Agenten. Ihr Nachteil ist der hohe Stromverbrauch. Der große Vorteil: Trotec Raumluftreiniger haben einen Spezial-Filter. Dieser filtert auf dem Niveau eines herkömmlichen Hepa-13- oder Hepa-14-Filtersystems, besteht aber aus einem hitzeresistenten Keramik-Verbundmaterial. Der Filter erhitzt das Gerät regelmäßig auf Temperaturen, die auch ein Virus nicht übersteht. Durch die Erhitzung entfallen ein Filterwechsel und damit die diesbezügliche Wartung und damit auch die mit dem Wechsel hypothetisch vorhandenen Gefahren. Weitere Nachteile sind relativ hoher Stromverbrauch (in Spitzen (bei 10 A) 2200 Watt, wenn geheizt wird) und über 50 dB Schalldruck. Das ist für den Schulbetrieb recht hoch.
  • In einem Frankfurter Gymnasium werden seit dem 22.03.2021 Hanseatic Luftreiniger (ca. € 250,00 pro Stück) eingesetzt. Im Vollbetrieb kann jedes dieser Geräte 84 Kubikmeter Luft rein halten. Ihrer Leistungsaufnahme beträgt 45 W. In der Schule werden jeweils zwei Geräte pro Klassenraum im Leise-Modus eingesetzt.





UV-C-Strahler



  • Alternativ können UV-C-Systeme SARS-CoV-2 in der Raumluft zuverlässig deaktivieren.
  • UV-Strahler werden seit Jahren in Krankenhäusern, Laboren, Arztpraxen und Wasserwerken und Flughäfen eingesetzt. Bei sachgerechtem Gebrauch sind sie sicher und für Menschen und Tiere unschädlich. Sie wirken gegen SARS-CoV-2.
  • Man unterscheidet den offenen und den ummantelten Betrieb. Im offenen Betrieb strahlt eine UV-C-Röhre direkt in den Raum. Dies ist nur sicher, wenn in dieser Zeit kein Mensch und kein Tier anwesend ist.
  • Für den ummantelten Betrieb werden Lampen verwendet. Sie bestehen im Prinzip aus UV-C-undurchlässigen Röhren, an deren Enden Ventilatoren angebracht sind. Luft gelangt durch sie in das Innere einer Lampe, wo sie desinfiziert und dann wieder herausgedrückt wird. UV-C-Licht tritt nicht aus der Lampe aus. Daher können diese Geräte in Räumen verwendet werden, in denen die Luft in Gegenwart von Personen sicher und effektiv desinfiziert werden muss. Beispiele: AIRPURION active, Soluva Air W, Sterilon Flow, UVpro
  • UV-Strahler eignen sich für den Einsatz in Fluren und Sporthallen. Sterilon Flow kostet (2021-03) etwa € 450,-. Es kann mit einer Leistung von 144 W etwa 75 Kubikmeter Luft nahezu keimfrei halten.






Geräte-Kombinationen für den Schuleinsatz



  • Schulen, die nicht über moderne RLT-Anlagen verfügen, sollten in allen Räumen mit fester Sitzordnung das MPI-Abluftsystem und ein CO2-Messgerät einsetzen.
  • Auf allen Fluren, im Sekretariat und in den Fachräumen der Naturwissenschaften sowie in allen Besprechungszimmern, in denen es keine feste Sitzordnung oder hohe Fluktuation von Besuchern gibt, sollten ummantelte UV-C-Strahler eingesetzt werden. Dies gilt auch für Räume, in denen der Einbau des MPI-Systems technisch nicht möglich ist.
  • Für die Sporthalle und das Lehrerzimmer eignet sich der Luftreiniger Trotec TAC V+.
  • Mobile Luftreinigungsgeräte sind in jedem Fall (2 Exemplare pro Klassenraum) erforderlich, sofern noch kein geprüftes Abluftsystem verwendet wird.
  • Alle eingesetzten Geräte müssen wirksam sein, den Erfordernissen des Arbeitsschutzes Rechnung tragen, den einschlägigen DIN/ISO-Normen genügen. Sie müssen ökologisch vertretbar sowie kurzfristig beschaffbar sein.




Aus medizinischer Sicht ist Präsenzunterricht unter Einsatz der genannten oder gleichwertiger Systeme im genannten Umfang auch in der Pandemie möglich. Im Umkehrschluss heißt das, Schulen trotz verfügbarer Technik schutzlos der Stoßlüftung und der Alltagsmaske zu überlassen, ist unverantwortlich.

  • Beachten Sie regelmäßig die Hinweise in unserem Blog.