Schnelltests auf SARS-CoV-2 im Schulbetrieb

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Einsatz von Antigen-Schnelltests in Schulen während der CoVID-19-Pandemie


Mit
Antigen-Schnelltests will man angeblich den „Schulbetrieb sicher machen“ bzw. diesen "schrittweise wieder erlauben".

Man muss klar sagen, wozu man das tun will.

  • Sollen die Tests verhindern, dass infektiöse Schüler oder Lehrer am Schulgeschehen teilnehmen?
  • Oder sollen die Tests dazu beitragen, versteckte bzw. bislang unentdeckte Infektionscluster in der Bevölkerung zu identifizieren, um Infektionsketten möglichst früh zu unterbrechen?

Um zu verstehen, worin sich die beiden Ansätze unterscheiden und welche Grenzen jeder der beiden Ansätze hat, müssen neben dem aktuellen Infektionsgeschehen und dem typischen
Infektionsverlauf einer SARS-CoV-2-Infektion auch Restriktionen der Schnelltests selbst, die sich aus den jeweiligen statistischen Test-Charakteristika ergeben, berücksichtigt werden.

Das Robert Koch-Institut schreibt in seiner Stellungnahme zu Selbsttests, dass Antigen-Schnelltests eigentlich für die Anwendung durch Fachpersonal vorgesehen sind (
RKI Schulen). Bei seiner Stellungnahme geht das Institut immer von der Untersuchung von tiefen Nasen-Rachenabstrichen aus. Selbst dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein negatives Testergebnis eine SARS-CoV-2-Infektion nicht ausschließt. Allenfalls sei die Aussage erlaubt, dass der Getestete zum Zeitpunkt der Abnahme weniger wahrscheinlich infektiös ist. Zudem gelte die Aussage der Tests nur für kurze Zeit.

Einsatz von Antigen-Schnelltests, um Infizierte aufzuspüren

Sollen Antigen-Schnelltests eingesetzt werden, um zu verhindern, dass infektiöse Schüler oder Lehrer am Schulgeschehen teilnehmen, sind folgende Aspekte zu beachten:

  • Studien deuten durchaus darauf hin, dass die regelmäßige Testung durch eine frühzeitige Identifikation infizierter Personen die Anzahl von Sekundärinfektion und die Wahrscheinlichkeit von größeren Ausbrüchen deutlich reduzieren könnte (Paltiel et al).
  • Da auch von asymptomatischen und prä-symptomatischen Personen ein Infektionsrisiko ausgeht, wäre es allerdings notwendig, wirklich alle Schüler oder Lehrer zu testen.
  • Angesichts der begrenzten Test-Sensitivität werden auch bei der Totalerhebung nicht alle infektiösen Personen erfasst.
  • Eine tägliche oder zumindest an jedem zweiten Tag stattfindende Testung ausnahmslos aller Personen in einer Schule wäre notwendig, wenn möglichst sicher gegangen werden soll, dass keine infektiöse Person am Schulgeschehen teilnimmt.
  • Selbst bei täglicher Testung kann nicht auf die Einhaltung der AHA+L Regeln oder den Einsatz schützender Technik verzichtet werden.
  • Tägliches Testen kann nicht das Einhalten eines Mindestabstands zu anderen Personen, das Beachten vieler Hygieneregeln, das Tragen einer Maske und das regelmäßige, wirkliche (!) Lüften von Lehrerzimmern und Klassenräumen ersetzen bzw. den Einsatz von Luftreinigern oder Abluftgeräten, wo und wenn die Qualitätskriterien des Lüftens anders nicht erreichbar sind.
  • Bezüglich der praktischen Umsetzung müsste entweder auf die Kooperation aller Eltern und Schüler zur täglichen und sachgemäßen Durchführung der Tests vertraut werden, oder die Testung müsste in der Schule in großflächigen Anlagen und mit entsprechendem Zeitaufwand durchgeführt werden. Letzteres bedürfte wohl einer gesetzlichen Regelung.
  • Eine tägliche Testung der über 8 Millionen Schülern und über 750000 Lehrern an allgemeinbildenden Schulen mit Antigen-Schnelltests würde mit einem sehr hohen Ressourcenaufwand einhergehen. Selbst bei dem bis zur Sinnlosigkeit minimierten Testangebot, Schüler und Lehrer durchschnittlich nur zwei Mal pro Woche zu testen, wären logistischer Aufwand und Ressourceneinsatz immens.
  • Es muss von einer vergleichsweise hohen Anzahl falsch positiver Testergebnisse ausgegangen werden, was wiederum mit einem Schulausfall bis zum Eintreffen des Testergebnisses des Bestätigungstests einhergeht.

Einsatz von Antigen-Schnelltests als Teil populationsbasierten Screenings

  • Populationsbasiertes Screening hat zum Ziel, „versteckte“ Infektionen und Cluster zu identifizieren, das heißt Infektionen, deren Ursprung unbekannt ist, die sich nicht durch Kontaktpersonen-Nachverfolgung bekannter Infektionen identifizieren lassen. Ziel dieses Screenings ist es, durch strategisches Testen unbekannte Infektionsherde zu finden. Antigen-Schnelltests sind bei dieser Vorgehensweise ein Mittel der Kontaktpersonen-Nachverfolgung. Das Verhindern von Infektionen, z. B. einer Schule stellt hierbei nur einen Nebeneffekt dar.
  • Durch gezieltes Testen von Personen, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bieten, infiziert zu sein, kann es gelingen, Infektionen in Hoch-Risiko-Gebieten vergleichsweise rasch zu entdecken.
  • Populationsbasiertes Screening zielt vor allem auf die Testung von Personen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer SARS-CoV-2 Infektion, beispielsweise Personen mit CoVID-19-typischen Symptomen wie Fieber oder ausgeprägtem Husten.
  • Durch wiederholtes Testen vermutlich Kranker (2-3 Mal bis zum Abklingen der Symptome) können infizierte Personen identifiziert und so der Fall- und Kontaktpersonennachverfolgung der Gesundheitsbehörden zugeführt werden.
  • Die vergleichsweise geringe Anzahl an Ziel-Personen erfordert deutlich niedrigeren Ressourceneinsatz, als dies bei protektiv intendierten Tests der Fall ist. Aufgrund der erhöhten Vortest-Wahrscheinlichkeit infolge des Symptom-fokussierten Testansatzes reduziert sich zudem das Risiko falsch negativer Testergebnisse.
  • Beim populationsbasierten Screenings würde der Bevölkerung in Testzentren, Arztpraxen oder Apotheken die Möglichkeit zum Testen angeboten werden. In Schulen führte durch aufsuchende Testung das Gesundheitsamt bei Kindern mit Symptomen (wie Husten oder Halskratzen etc.) den Test durch.

Fazit zum Testen im Schulbetrieb


  • Es gibt allgemein anerkannte, wissenschaftliche Grundsätze des Screenings im Rahmen der Infektionsdiagnostik.
  • Daten zur Validität von Antigen-Schnelltests bei asymptomatischen Kindern gibt es aber nicht.
  • Setzt man Antigen-Schnelltests flächendeckend in Schulen und KiTas ein, ist zu erwarten, dass die Zahl falsch negativer und falsch positiver Ergebnisse inakzeptabel hoch sein wird. Es wird weit mehr Schaden als Nutzen entstehen.
  • Präanalytische Fehler bei der Probenentnahme werden unkontrolliert sein.

Unterschätzt werden
  • die negativen psychologischen Auswirkungen repetitiver Testungen, insbesondere jüngerer Kinder.
  • die Test-Konsequenzen, wie Quarantäne der eigenen Person oder der Sozialgemeinschaft.
  • die allgemeine Verunsicherung wenn Absonderungsauflagen aufgrund der invaliden Testmethode wieder aufgehoben worden sind.
  • die erhebliche Gefahr, dass Testergebnisse negativen Einfluss nehmen auf die konsequente Umsetzung der allgemeinen Hygieneregeln. Dies hat angesichts einer erwartungsgemäß hohen Rate falsch negativer Testergebnisse besonders gravierende Auswirkungen.

  • Angesichts der vielfältigen Herausforderungen bezüglich der Interpretation positiver wie negativer Testergebnisse wäre eine umfassende Strategie zum Einsatz von SARS-CoV-2-Testungen in Schulen notwendig, nicht aber der unkontrollierte Einsatz solcher Tests.
  • Denkbar wäre eine regelmäßige, mindestens zweitägliche Testung des gesamten pädagogischen Personals bzw. jedweder erwachsenen Personen, die Kontakt mit den Kindern hat. Dies beträfe alle Erwachsenen in Schule und Hort, Mensa oder Kantine, aber auch auf den Schul-, Bring- und Abholwegen.
  • Gefordert werden müsste eine wissenschaftliche Begleitung durch PCR-basierte, gepoolten Testverfahren zum Screening in Sentinelschulen.
  • Da, abhängig von der Teststrategie und von der Infektionshäufigkeit in der jeweiligen Region, von einem unter Umständen hohen Anteil falsch positiver Ergebnisse unter den positiven Testergebnissen auszugehen ist, bedarf es eines Plans, welche den betroffenen Personen in weniger als 24 Stunden den Zugang zu spezifischen Bestätigungstests mit Resultaten gewährleistet.
  • Um das Risiko falsch-negativer Tests durch nicht sachgemäßen Umgang zu reduzieren, einem problematischen Umgang mit positiven und negativen Testergebnissen durch professionelle Aufklärung entgegenzuwirken und um einen raschen Zugang zu Bestätigungstest zu gewährleisten, sollten Schnelltests nur durch geschultes Personal in geeigneten Umgebungen (z.B. Arztpraxen, Testzentren, Apotheken) angeboten werden.
  • Unabhängige Studien zeigen überdurchschnittlich häufig sehr heterogene Ergebnisse bzgl. der Test-Charakteristika diverser Schnelltests. Ein großflächiger Einsatz von Schnelltests sollte daher nur unter einer engmaschigen wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation erfolgen, um unnötigen Schaden infolge eines falschen Sicherheitsgefühls (infolge eines falsch-negativen Testergebnisses) oder infolge unnötiger Isolations- oder Quarantänemaßnahmen (infolge eines falsch-positiven Testergebnisses) von der Bevölkerung abzuhalten.
  • Innovative Konzepte basierend auf Pooltestung mittels PCR oder der Verwendung einfach zu gewinnender Untersuchungsmaterialien (Speichel, Gurgelwasser etc.) bedürfen zunächst einer konsequenten Evaluierung und sind mit nicht unerheblichen logistischen Problemen behaftet.

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