Vaxzevria, der Vektorimpfstoff von AstraZeneca

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Häufigkeitsverteilung der 20-Hauptproteine des ChAdOx1 nCov-19-Impfstoffs Vaxzevria - Quelle: Krutzke et al. 2021-05
Zweifel an AstraZenecas Studien

Die Welt rieb sich die Augen, als im Frühjahr 2021 in den USA gleich mehrere Gesundheitsbehörden und ein unabhängiges Aufsichtsgremium AstraZeneca vorwarfen, den von CoVID-19 bedrohten Menschen weltweit potenziell irreführende Informationen über die Wirksamkeit des CoVID-19-Impfstoffs Vaxzevria zu präsentieren.
AstraZeneca habe für die Zulassungsverfahren im Wesentlichen nur Daten herausgepickt, die für den Impfstoff am günstigsten waren. Erwartet hatte man neueste Daten und diese vollständig.

Nur wenige Stunden zuvor hatte AstraZeneca eine Pressemitteilung herausgegeben, in der Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs Vaxzevria gepriesen wurden. Sein niedriger Preis hatte ihn zu diesem Zeitpunkt bereits zum führenden Mittel der Impfung von Menschen weltweit gemacht. AstraZeneca behauptete, Vaxzevria könne 79% aller CoVID-19-Fälle verhindern.

Die unabhängige Aufsichtsbehörde hielt auf Basis der von AstraZeneca eingereichten Daten für möglich, dass die Wirksamkeit von Vaxzevria zwischen 69 und 74 Prozent lag.
Der Streit drehte sich um die Art und Weise, wie AstraZeneca feststellte, ob Teilnehmer an der klinischen Studie möglicherweise oder tatsächlich von CoVID-19 betroffen waren.
Die Beziehung zwischen AstraZeneca und den US-Behörden war seit 2020 angespannt, als hochrangige Gesundheitsbehörden den Eindruck gewannen, dass die Firma nicht offen über das Design ihrer klinischen Studien, ihre Ergebnisse und Sicherheitsprobleme sprach.

Die US-Studie, an der mehr als 32.000 Teilnehmer teilnahmen, war der größte Test dieser Art für Vaxzevria. Den Behörden vorgelegt wurde eine Zwischenauswertung, nachdem 141 Covid-19-Fälle unter den Probanden aufgetreten waren. Die Frage war nur, bis wann?

Viele Millionen Menschen haben die AstraZeneca-Spritze weltweit erhalten, darunter mehr als 17 Millionen in Großbritannien und der Europäischen Union, fast alle ohne schwere Nebenwirkungen.

Im Sommer 2020 erfuhren zumindest einige hochrangige Beamte der F.D.A. nur aus Nachrichten, dass AstraZeneca seine Phase-2-Phase-3-Impfstoffstudie in Großbritannien unterbrochen hatte, nachdem ein Teilnehmer neurologische Symptome entwickelt hatte. Im September, nachdem ein weiterer Teilnehmer der britischen Studie an ähnlichen Symptomen erkrankt war, stoppte AstraZeneca seine Studien weltweit, versäumte es aber wiederum, die US-Behörden zu unterrichten.
Die US-Studie wurde schließlich im Herbst 2020 für sieben Wochen pausiert, auch weil AstraZeneca der F.D.A. nur langsam Beweise dafür liefern konnte, dass der Impfstoff die neurologischen Symptome nicht verursachte. Die Revisoren kamen zu dem Schluss, dass die Erkrankungen nicht mit dem Impfstoff in Verbindung gebracht werden konnten. Dennoch war die Verzögerung ein Hauptgrund dafür, dass AstraZeneca so weit hinter die drei anderen Hersteller zurückfiel, deren Impfstoffe in den Vereinigten Staaten eine Notfallzulassung erhalten haben.

Man merkt allerorten, dass AstraZeneca keinerlei Erfahrung mit der Herstellung von Impfstoff hat.




Sinusthrombosen - Hirnvenenthrombosen

Vaxzevria, der Impfstoff von AstraZeneca, steht im Verdacht, ungewöhnliche Sinusthrombosen und Hirnvenenthrombosen auszulösen (Greinacher et al 2021-04). Mehrere Todesfälle, insbesondere junger Frauen wurden mit Injektionen des Impfstoffs ChAdOx1 nCov-19 in Verbindung gebracht (Greinacher et al 2021-03).
Es handelte sich um zum Glück nur seltene Fälle von thrombotischer Thrombozytopenie, vermittelt durch Thrombozyten-aktivierende Antikörper gegen den Thrombozytenfaktor 4 (PF4) (Greinacher et al 2021-04, Schultz et al. 2021-04). Die Betroffenen hatte man 7 bis 14 Tage vor dem Auftreten des Problems intramuskulär mit Vaxzevria geimpft.
In Deutschland wurden bis Dienstag, den 25.05.2021 verimpft:
  • 8.070.985 Erstdosen plus 503.003 Zweitdosen von Vaxzevria (ehemals: COVID-19-Impfstoff AstraZeneca) verimpft (jeweils Addition aus Impfzentren und Hausarztpraxen)
  • 126.269 Einzeldosen (vollständig geimpft) von "COVID-19 Vaccine Janssen" (Addition aus Impfzentren und Hausarztpraxen).
Bis zum 25.05.2021 (Dienstag, 09:30 Uhr) wurde dem Paul-Ehrlich-Institut wie folgt gemeldet:
  • 94 Fälle einer TTS nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff Vaxzevria (AstraZeneca) gemeldet.
  • 42 Meldungen betrafen Frauen im Alter von 20 bis 59 Jahren. In 13 Fällen lag das Alter zwischen 60 und 69 Jahren. In fünf Fällen zwischen 70 und 79 Jahren. In einem Fall gab es keine Information zum Alter.
  • 33 Meldungen betrafen Männer. In 21 Fällen lag das Alter zwischen 20 und 59 Jahren. In acht Fällen lag das Alter zwischen 60 und 69. In einem Fall lag das Alter zwischen 70 und 79 Jahren und in einem Fall zwischen 80 und 89 Jahren. In zwei Fällen gab es keine Angaben zum Alter.
  • 17 Personen sind an den Folgen des TTS verstorben: zehn Frauen und sieben Männer.
Das teilte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am 28.06.2021 auf seiner Website mit.

Die Adenovirus-assoziierte Thrombozytopenie ist nicht unbekannt. Sie wurde lange vor den Zulassungsstudien von ChAdOx1 nCov-19 festgestellt (
Cichon et al. 1999). Allerdings trat sie darin stets zu einem frühen Zeitpunkt nach der Impfung und nur nach intravaskulärer Injektion einer Dosis auf, die etwa 1000 der üblichen Dosen bei der intramuskulären Verabreichung von Vaxzevria entspricht.

Ärzte sollten auf die Anzeichen und Symptome einer Thromboembolie und Blutplättchenmangel achten. Die Geimpften sollten bei Symptomen wie Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Beinschwellungen oder anhaltenden Bauchschmerzen sofort einen Arzt aufsuchen. Das Gleiche gelte bei neurologischen Symptomen wie schweren oder anhaltenden Kopfschmerzen, verschwommenem Sehen oder punktförmigen Hautblutungen.


Eine schlüssige Erklärung des Zusammenhangs zwischen Vakzin und Problem fehlt (
Greinacher et al. 2021-05).

Nachzuweisen, dass ChAdOx1-Virus überhaupt an Thrombozyten bindet, gelang bislang nicht (
Krutzke et al. 2021-05). Sollte wirklich eine direkte Interaktion des Virus mit Thrombozyten für die unerwünschten Ereignisse verantwortlich sein?





Schlechte Verträglichkeit - beschränkte Wirksamkeit

Die Impfung mit Vaxzevria führt immer wieder zu starken klinischen Reaktionen. AstraZenecas Impfstoff verträgt man schlecht. Mögliche Gründe hierfür wurden nun identifiziert. Sie liegen in Fehlern im Herstellungsprozess.

ChAdOx1 nCov-19 wird im sogenannten T-REx-293-Zellsystem produziert. Dies verhindert die Expression des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 während der Produktion des Vektors selbst. Gereinigt wird der Impfstoff anschließend wird durch eine Kombination von Filtrationsschritten und Anionen-Austausch-Chromatographie (AEX) (EMA Assessment report, Fedosyuk et al. 2019). Bei Simian-Adenovirus-Vektoren, einschließlich ChAdOx1 führt dies prinzipiell zu hoher Ausbeute und Reinheit (Fedosyuk et al. 2019).

Eine Forschergruppe aus Ulm analysierte den AstraZenecas Impfstoff Vaxzevria (ChAdOx1 nCov-19) biochemisch und proteomisch (Mittereder et al. 1996, Cox et al. 2008, Cox et al. 2011). Sie analysierte drei verschiedene Chargen des ChAdOx1 nCov-19-Impfstoffs Vaxzevria mittels SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE) und anschließender Silberfärbung und verglich das Färbemuster der separierten Proteine mit jenem von HAdV-C5-EGFP, einem durch CsCl-Ultrazentrifugation gereinigten Adenovirus-Vektor.
Dabei stellte sich heraus, dass dieser Impfstoff neben dem Adenovirus-Vektor erhebliche Mengen an humanen und nicht-strukturellen, viralen Proteinen enthielt. Unter den humanen Proteinen fanden sich relativ große Anteile von Hitzeschockproteinen und Zytoskelettproteinen.

Laut AstraZeneca hat der ChAdOx1 nCov-19-Impfstoff einen physikalischen Titer von 1 x 108VP/μl und ist in 10 mM Histidin, 7,5 % Saccharose (w/v), 35 mM NaCl, 1 mM MgCl2, 0,1 % Polysorbat 80 (w/v), 0,1 mM EDTA und 0,5 % EtOH (w/v) gelöst (Krutzke et al. 2021-05).





Intramuskuläre Injektion von Proteinen, die nicht Teil des Impfstoffs selbst sind

Zumindest größere Mengen an viralen Proteinen außerhalb des viralen Kapsids, könnten die Qualität der Immunantwort beeinflussen. Möglicherweise vermindern sie Aktivität und Wirksamkeit des Impfstoffs selbst. Aus präklinischen Studien ist bekannt, dass T-Zell-Antworten auf adenovirale Proteine die Immunogenität transgener Antigene begrenzen können (Schirmbeck et al. 2008).

Die überwiegende Mehrheit der mehr als 1000 verschiedenen Proteine, die in Vaxzevria enthalten sind, führt nach intramuskulärer Injektion vermutlich nicht zu unerwünschten Wirkungen.

Einige der in Ulm nachgewiesenen Proteine könnten jedoch problematisch sein. Extrazelluläre Host Cell Proteins (HSPs) modulieren angeborene und adaptive Immunantworten, können vorbestehende Entzündungszustände verschlimmern, wurden mit Autoimmunität in Verbindung gebracht und können sogar selbst zum Ziel von Autoimmunantworten werden (Binder 2014, Routsias et al 2006, Tamura et al. 2016). Sie initiieren sehr effizient spezifische Immunantworten durch eine rezeptorvermittelte Aufnahme von Hitzeschock-Protein-Peptid-Komplexen in Antigen-präsentierenden Zellen (APCs), hauptsächlich über CD91 und Scavenger-Rezeptoren (Binder 2014, Binder et al. 2000).

Da die im Impfstoff vorhandenen Hitzeschock-Proteine (HSPs) aus T-REx-293-Zellen stammen, könnten sie prinzipiell den Transfer von Peptiden, die aus der 293-Zell-Quelle stammen, von autologen Peptiden von geimpften Personen, und auch von viralen Proteinen auf APCs vermitteln. Mehrere der Hitzeschock-Proteine haben auch ATPase-Aktivität. Sie könnten nach intramuskulärer Injektion des Impfstoffs direkt an der Aktivierung von Thrombozyten beteiligt sein, indem sie in den ATP-reichen Skelettmuskelzellen ADP erzeugen (Krutzke et al. 2021-05).

Unter den in Vaxzevria nachgewiesenen, viralen Proteinen, könnte auch die adenovirale Pentonbase eine frühen Toxizität über ein RGD-Motiv induzieren, das in einer Lösungsmittel-exponierten Schleife der Pentonbase vorhanden ist. Dies wäre möglich durch Interaktion mit Integrinen auf Zellmembranen, einschließlich der Blutplättchen (Krutzke et al. 2021-05).

Die generelle Unbekömmlichkeit von Vaxzevria steht nach alledem wahrscheinlich in einem noch nicht abschließend geklärten Zusammenhang mit den nachgewiesenen Protein-Verunreinigungen. Ein Zusammenhang dieser Verunreinigungen ist sogar mit mit speziell immunbedingten Nebenwirkungen vorstellbar.






Qualitätsprobleme im Rahmen der Herstellung

In der biopharmazeutischen Industrie ist die nahezu vollständige Entfernung von Wirtszellproteinen (HCP) aus dem biologischen Produkt ein kritisches Merkmal für Qualität. Im Produkt verbleibende HCP stellen ein Risiko für die Patientensicherheit dar (Wang et al. 2009).

Gemäß in Europa geltenden Vorschriften (European Pharmakopoia 2020) sind Enzyme-Linked Immunosorbent Assays (ELISAs) als Standardassays zur Überwachung der HCP-Entfernung während und nach der Aufreinigung von Biopharmazeutika zu verwenden. Ihre Basis sind polyklonale Antikörper, die man aus größeren Tieren, vorzugsweise Ziegen oder Schafen, nach Immunisierung mit Zell-Lysaten oder Überständen isolieren kann.

Bei der Produktion von sekretierten, rekombinanten Proteinen sind solche Assays Teil der Standardarbeitsanweisungen. Man setzt sie zusammen mit anderen Methoden ein, um die Abwesenheit von HCPs im Endprodukt zu gewährleisten und zu dokumentieren.

Dass im Rahmen der Zulassung in Vaxzevria HSPs und Zytoskelettproteinen mit ELISA-basierten Methoden übersehen, also nicht nachgewiesen worden sind, kann durch die extrem hohe Homologie von HSPs und Zytoskelettproteinen zwischen verschiedenen Spezies erklärt werden, so dass in immunisierten Tieren keine Antikörper gegen diese Proteine gebildet wurden (Krutzke et al. 2021-05). Nimmt man einige der am häufigsten vorkommenden HSPs, die in der Ulmer Studie gefunden wurden, so besteht eine 99,59%ige Übereinstimmung auf Aminosäureebene zwischen dem HSP von Mensch und Schaf 990-beta, 100 % Übereinstimmung zwischen menschlicher und Ziegen-Übergangs-ATPase des endoplasmatischen Retikulums und 98 % Übereinstimmung zwischen menschlichem Vimentin und Schaf-Vimentin (Krutzke et al. 2021-05).

Mit ziemlicher Sicherheit müssten diese Proteine übersehen worden sein, wenn die Qualitätskontrolle bei AstraZeneca nur auf einem solchen ELISA basierte und nicht durch orthogonale Methoden wie direkter Färbung von Proteingelen, Kapillarelektrophorese oder LC-MS ergänzt worden wäre. Wenn der Produktionsprozess auch die Lyse der produzierenden Zellen umfasst, sind Standard-HCP-ELISAs, die für Produktionsprozesse von sekretierten, rekombinanten Proteine zugelassen sind, offensichtlich nicht für die Qualitätskontrolle komplexer biologischer Produkte wie Vektoren und Impfstoffe auf Adenovirus-Basis geeignet (Krutzke et al. 2021-05).





Keine weitere Anwendung vor der Verbesserung des Produktionsprozesses

Die Etablierung von robusten Assays zum Nachweis von HCPs kann kompliziert und sehr zeitaufwendig sein, insbesondere wenn Prozesse für neue und komplexe Biopharmazeutika entwickelt werden müssen. Während einer Pandemie hat man dafür nicht immer Zeit.

Angesichts der vielen verschiedenen, kontaminierenden Proteine, die in Vaxzevria (ChAdOx1 nCov-19) nachgewiesen wurden, und angesichts der damit verbundenen Ungewissheit, ob (einige) der Verunreinigungen langfristige immunologische Nebenwirkungen haben könnten, ist es aber vor jeder weiteren Anwendung von Vaxzevria dringend notwendig, den Reinigungsprozess des Impfstoffs zu verbessern. Möglicherweise erhöht dies seine Verträglichkeit. Vielleicht wird er dadurch auch wirksamer.

Stand: 28.05.2021

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